Hans Brechbühler (1907–1989)

Geb. 25. Mai 1907 in Bern, gest. 11. September 1989 in Ittigen, Bern

Der Name Hans Brechbühler ist untrennbar mit den Gewerbeschulbauten in Bern aus den späten 1930er Jahren verbunden. Dieses Opus magnum sicherte dem Berner Architekten über die Landesgrenzen hinaus grosse Anerkennung. Von 1956 bis 1970 widmete er sich als Entwurfsprofessor an der École Polytechnique de l’Université de Lausanne (seit 1969 École polytechnique fédérale de Lausanne, EPFL) mit nachdrücklicher Energie dem Unterricht und dem Umbau der Architektenausbildung. Indem er den architektonischen Entwurf eng mit den technisch-wissenschaftlichen Bereichen verband, erwarb er sich den Ruf eines radikalen Neuerers. Sein Œuvre ist überschaubar, sein Wirkungskreis war jedoch viel breiter, als seine Bauten und Projekte es vermuten lassen. Nicht zuletzt war er Mentor des international angesehenen Atelier 5; vier der fünf Gründungsmitglieder hatten bei ihm gearbeitet.

Brechbühler studierte von 1926 bis 1930 an der Architekturabteilung der ETH Zürich. In dieser Zeit besuchte er die Weißenhofsiedlung in Stuttgart und lernte auf einer Studienreise die Bauten der niederländischen Avantgarde kennen. Sein letztes Studienjahr 1928/29 absolvierte er auf Anregung seines Lehrers Karl Moser an der TU Berlin-Charlottenburg bei Hans Poelzig. 1930 diplomierte er an der ETH bei Otto Rudolf Salvisberg. Anschliessend arbeitete er während sieben Monaten bei Le Corbusier in Paris. Vermittelt hatte ihm diese Stelle Karl Moser, dem er nach eigenem Bekunden viel verdankte. Zu Salvisberg blieb er dagegen auf Distanz, weil dieser mit seiner «unehrlichen Architektur» die Prinzipien der Moderne verraten habe.

Nach Paris folgte eine zweijährige Mitarbeit bei Albert Zeyer in Luzern, wo das Dulaschulhaus in Planung und Ausführung war. 1933 gründete Brechbühler sein eigenes Büro in Bern und gewann zwei Jahre später, erst 28-jährig, den legendären Wettbewerb für die 1939 eröffneten Gewerbeschulbauten. 1937 wurde er in die Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM) aufgenommen. Im selben Jahr wurde er Mitglied des Schweizerischen Werkbundes (SWB) und 1938 des Bundes Schweizer Architekten (BSA).

Nach der Pionierzeit der modernen Architektur in den 1920er Jahren stand für Architekten wie Brechbühler die Frage nach deren Akzeptanz und Breitenwirkung im Vordergrund. Entscheidende Anstösse in diese Richtung kamen von der Schweizer CIAM-Gruppe (Sigfried Giedion, Ernst F. Burckhardt, Werner M. Moser, Rudolf Steiger). In ihrer Publikationsreihe weiterbauen, die von 1934 bis 1936 als Beilage zur Schweizerischen Bauzeitung erschien, wurden regionalistische und pluralistische Tendenzen favorisiert. In derselben Nummer, in der Max Ernst Haefeli für eine «gewisse Mannigfaltigkeit von Form, Material, Farbe, Belichtung, Naturbeziehung» zugunsten einer «lebendigen, differenzierten Erfüllung einer Bauaufgabe» votierte, wurde auch das von Brechbühler 1935 realisierte Lagerhaus für die Samenhandlung G. R. Vatter in Köniz publiziert (Nr. 5, 1936). Er hatte ein Gebäude von konstruktiver Eleganz in Stahl und Holz entworfen und das Thema der Hülle mit einer Welleternit-Fassade ausdrucksstark umgesetzt.

Die formale Verschiedenheit der in den 1930er Jahren fast gleichzeitig entstandenen Projekte Brechbühlers ist auffallend. Im Jahr des Gewerbeschulwettbewerbs begann auch die Arbeit am Entwurf eines Hauses im Schlosspark von Bern-Bümpliz für den Besitzer einer einzigartigen Paul-Klee-Sammlung (1935–1937). Der Kontrast zum Lagerhaus in Köniz könnte kaum grösser sein: Zwei Jahre sollte das Ringen dauern, bis sich das Projekt vom Stahl-Glashaus mit Flachdach zum malerischen Entwurf in Mauerwerk und Holz mit einem Satteldach in Tonziegeln entwickelt hatte.

Die Themen der spezifischen Materialwirkung und des malerischen Ausdrucks waren bei Brechbühler gut aufgehoben, wie später besonders das Beispiel des «Schwedenhauses» am Könizbergwald von 1944 zeigt: Die Fassaden wurden sogar in originalem Schwedenrot, die Fenster- und Türrahmen weiss gestrichen. Zugleich war der Bau auch als Prototyp für eine serienmässige Herstellung von Holzhäusern konzipiert. Die von Brechbühler und Eric Steiger zusammen mit einer Zimmerei entwickelte «Montagebauweise Chasseral» (1944) sollte in Frankreich beim Wiederaufbau zum Einsatz kommen, konnte jedoch gegenüber der schwedischen Konkurrenz nicht bestehen.

Das konstruktive Interesse Brechbühlers kam in verschiedenen Skelettbauten der 1950er Jahre zum Ausdruck, etwa dem Büro- und Laborgebäude für das Schweizerische Rote Kreuz, das nach gewonnenem Wettbewerb 1953 in Bern gebaut wurde. Dieses Gebäude wie auch das Werkstattgebäude für die Firma Lüscher & Leber von 1954 oder die Wäscherei Papritz von 1955 sind Beispiele für die Bildhaftigkeit einer im Sinne Brechbühlers «ehrlichen» Konstruktion.

Die Auseinandersetzung mit dem Landschaftsraum war ein Thema, das bei vielen seiner Projekte eine wesentliche Rolle spielte. In Anlehnung an den raumgreifenden Entwurf von Le Corbusier und Pierre Jeanneret für den Völkerbundpalast in Genf (1927) entwickelte er in den 1930er und 1940er Jahren verschiedene Wettbewerbsbeiträge. Den Anfang machte 1931 das Projekt für ein neues Stadthaus in Bern. Trotz zahlreicher Preisen konnte er erst Anfang der 1950er Jahre wieder ein grosses Projekt realisieren. Die Schulanlage Statthaltergut in Bern-Bümpliz (1948–1951) zeugt einmal mehr von seiner intensiven Beschäftigung mit der Materialität und dem Thema des Atmosphärischen. Die Anlage steht heute als Beispiel einer Pavillonanlage in der Entwicklungsreihe moderner Schulbauten unter Denkmalschutz. 1958 gewann Brechbühler den Wettbewerb für die Rudolf-Minger-Gedenkstätte im bernischen Schüpfen (Ausführung 1960). Mit wenigen Elementen gelang es ihm, in der weiten Landschaft einen präzisen Ort von grosser räumlicher Wirkung zu schaffen. Eine analoge Antwort fand er für die Le Corbusier-Gedenkstätte auf dem Pouillerel bei La Chaux-de-Fonds 1986, die nicht ausgeführt wurde.

Hans Brechbühler war ein systematisch denkender Architekt, der nach praktisch anwendbaren Methoden suchte. Die Frage von Licht und Schatten beschäftigte ihn seit seiner Studienzeit und fand in einer mathematisch fundierten «Besonnungsstudie» ihre wissenschaftliche Ausformulierung. Geplant war ein umfassendes und präzises Instrument für eine Anwendung in der Projektierung. Auch der Frage der Proportionen, die nicht zuletzt durch den Modulor von Le Corbusier an Aktualität gewonnen hatte, widmete sich Brechbühler in ausführlichen empirischen Experimenten mit den Studierenden der EPFL.

Die systematische Beschäftigung mit Grundriss- und Schnittlösungen und deren räumlicher Wirkung war ein weiterer Schwerpunkt im Schaffen von Hans Brechbühler. Dafür liefern die Einfamilienhausgrundrisse und die zahlreichen Projekte zwischen 1934 und 1966 auf einem Grundstück in Wabern spannendes Anschauungsmaterial. Noch 1985, anlässlich der Entgegennahme der Ehrendoktorwürde der ETH Zürich, mahnte er: «Seit dem Neuen Bauen der Zwanziger und Dreissiger Jahre sind funktionell und konstruktiv ausgezeichnete Bauten entstanden. Die Möglichkeiten räumlichen Gestaltens wurden aber oft nicht ebenso intensiv wahrgenommen. Dabei ist es doch das Ziel des Bauens, Räume zu schaffen, Räume, in denen es den Menschen wohl ist.»

Ueli Zbinden

Zitierweise: Ueli Zbinden, Bestandsbeschrieb Hans Brechbühler, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, Juli 2021, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/hans-brechbuehler
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Bestand



Der Nachlass von Hans Brechbühler umfasst 8 Planschubladen sowie 5 Laufmeter Schachteln mit Materialien zu den Bauten und Entwürfen sowie zur Lehre an Ecole Polytechnique de l’Université de Lausanne EPUL, 3 Modelle, 1 Schachtel mit Vorlesungs- und Vortragsdias, 2 Laufmeter Schachteln sowie 2 Laufmeter offenes Material zu Proportions- und Besonnungsstudien, diverse Möbel, 8,5 Laufmeter Bibliothek.


Ausgewählte Literatur


  • Eduard Plüss (Red.), Künstlerlexikon der Schweiz XX. Jahrhundert, Bd. 1, Frauenfeld 1958–1961, S. 127.
  • Ueli Zbinden, Hans Brechbühler 1907–1989, Zürich 1991 (Werkkatalog).
  • Bernhard Furrer, Aufbruch in die fünfziger Jahre. Die Architektur der Kriegs- und Nachkriegszeit im Kanton Bern 1939–1960 / Départ dans les années cinquante. L’architecture pendant la guerre et l’après guerre dans le canton de Berne 1939–1960, Bern 1995.
  • Ueli Zbinden, Brechbühler, Hans (Fritz), in: Isabelle Rucki und Dorothee Huber (Hg.), Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin 1998, S. 87–88.
  • Hubertus Adam (Hg.), ArchitekturKultur in Bern, Sulgen/Zürich 2007.