Karl Moser (1860–1936)

Geb. 10. August 1860 in Baden, gest. 29. Februar 1936 in Zürich

Karl Cölestin Moser stammte aus einer lokal bedeutenden Baumeister- und Architektenfamilie. Sein Vater Robert Moser war der führende Architekt seiner Generation im Kanton Aargau. Moser studierte von 1878 bis 1881 Architektur am Polytechnikum in Zürich, daneben Kunstgeschichte bei Johann Rudolf Rahn an der Zürcher Universität. Nach dem Diplom bei Alfred Friedrich Bluntschli und kurzzeitiger Mitarbeit in dessen Büro setzte Moser sein Studium an der École des Beaux-Arts in Paris fort und arbeitete gleichzeitig im Büro von Jules-Aubert-Clément Reboul. Von 1885 bis 1886 arbeitete er in Wiesbaden im Büro von Friedrich Lang und lernte dort seinen späteren Partner Robert Curjel kennen. 1888 gründeten Curjel und Moser in Karlsruhe die Architekturfirma Curjel & Moser. Im Grossherzogtum Baden und in der deutschsprachigen Schweiz gehörte das Büro über mehr als zwei Jahrzehnte zu den überaus erfolgreichen. In St. Gallen unterhielt es eine Filiale (seit 1907) und in weiteren Schweizer Städten Baubüros. Nachdem Moser 1899 wegen grosser Bauaufträge einen ersten Ruf als Professor an das Zürcher Polytechnikum abgelehnt hatte, akzeptierte er 1915 einen Ruf als Nachfolger Bluntschlis und beendete die Partnerschaft mit Curjel.

Biografisch teilt sich Mosers berufliches Leben in eine Karlsruher und eine Zürcher Zeit. Werkgeschichtlich trägt eine solche Zweiteilung nicht, denn Moser baute von Anfang an sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz. In der Bürogemeinschaft mit Curjel war hauptsächlich Moser für die Schweizer Projekte zuständig, während Curjels Schwerpunkt im Karlsruher Wohn- und Geschäftshausbau lag. Mit einer freien Interpretation historischer Formen, malerischen Kompositionen und ausgeprägtem Gespür für Materialästhetik setzten sich Curjel & Moser von einem akademischen Historismus ab, wie er in Karlsruhe von Josef Durm und in Zürich von der Semper-Nachfolge vertreten wurde. Im weiteren Kontext der Berliner Diskussionen über eine «naturalistische» oder «realistische» Architektur (Adolf Göller, Cornelius Gurlitt) entwickelten sie eine individualistisch-kreative Entwurfspraxis, die auf den künstlerischen Gesamteindruck und eine bildhafte Wirkung abzielte. Sie manifestiert sich bereits in frühen Hauptwerken wie dem Gewerbemuseum Aarau mit Gewerbeschule und Kantonsschulgebäude (1891–1995) und der katholische Kirche Sankt Michael in Zug (1892–1902). Eine Englandreise Mosers mit Max Laeuger 1896 resultierte in der Integration von Motiven aus der englischen Landhausarchitektur und den Arts and Crafts, die markant in der Villa für Sydney und Jenny Brown (Villa Langmatt) in Baden (1899–1901) in Erscheinung treten. Die benachbarte Villa Römerburg für den Bruder Charles E. L. Brown (1897–1899, 1957 abgerissen) dagegen war neben der evangelisch-reformierten Pauluskirche in Basel (1897–1901), der evangelischen Lutherkirche in Karlsruhe (1901–1907), der evangelischen Johanniskirche in Mannheim (1900–1904) und dem Bankhaus Homburger in Karlsruhe (1898–1901) ein Ausweis von Curjel & Mosers früher und im deutschsprachigen Raum wegweisender Rezeption des Modern Romanesque von Henry Hobson Richardson. Mit Hermann Billing gehörten Curjel & Moser um 1900 zu den Exponenten der anti-akademischen «Jung-Karlsruher Architektenschule». Im Vergleich zu Billing weniger provokant in ihrer Entwurfshaltung, erzielten Curjel & Moser zahlreiche Wettbewerbserfolge. Um 1900 waren sie mit bis zu fünfzig Mitarbeitern neben Billing das führende Büro in Karlsruhe und zogen auch zahlreiche junge Architekten aus der Schweiz an (u. a. Otto Rudolf Salvisberg, Otto Pfister). Ihre Entwurfsaufgaben umfassten nahezu das gesamte Spektrum an Bauaufgaben: Kirchen, Kauf-, Geschäfts- und Mietwohnhäuser, Verwaltungs- und Bankgebäude, grossbürgerliche Villen, Siedlungs- und Industriebauten, Schulen, Museen und Hotels.

In Zürich verantwortete Moser damals mit dem Kunsthaus (1903–1910, Erweiterung 1919–1925) und dem kombinierten Kollegien- und Biologiegebäude der Universität (1907–1914) die prominentesten Bauaufgaben der Stadt. Zusammen mit dem Badischen Bahnhof in Basel (1907–1913) sind sie Hauptbeispiele für Mosers Fähigkeit einer plastischen Modellierung der Baukörper, Fassaden und Details; die in der modernen Rezeption häufig hervorgehobene Kraft der Raumgestaltung ist insbesondere im Zürcher Kollegiengebäude erfahrbar. Dagegen scheiterte Moser ausnahmsweise bei diesem Bau mit seinem sonst immer erfolgreichen Versuch, meist junge, noch unbekannte Künstler an seinen Projekten zu beteiligen. Um 1910 folgte auch Moser dem zeittypischen Trend zu klassischen Formen, die das Konzerthaus und Ausstellungsgebäude am Karlsruher Festplatz (1904–1915) sowie die evangelisch-reformierte Kirche Fluntern in Zürich (1913–1920) kennzeichnen. Die in Karlsruhe von Friedrich Ostendorf propagierte «zeitlose» Ordnung der Klassik wurde in seinem Werk erst Anfang der 1920er Jahre durch die Hinwendung zum Neuen Bauen vor allem holländischer Prägung abgelöst, die Moser im Austausch mit seinen Studierenden an der ETH Zürich (darunter sein Sohn Werner Max Moser), jungen Architekten, die er wie Mart Stam teils auch in seinem Büro beschäftigte, und unter dem Eindruck einer Reise in die Niederlande 1922 vollzog. Das Hauptwerk dieser Zeit ist die katholische Kirche Sankt Anton in Basel (1924–1927), die auch auf Auguste Perrets Notre-Dame in Raincy antwortende erste Sichtbetonkirche in der Schweiz.

In den 1920er Jahren pflegte Moser rege Kontakte mit Exponenten der modernen Architektur in Frankreich (Le Corbusier), den Niederlanden (Cornelis van Eesteren) und Deutschland. Als Mitglied der Jury im Wettbewerb für den Völkerbundpalast in Genf 1927 setzte er sich für den Entwurf von Le Corbusier und Pierre Jeanneret ein. 1928 wurde er auf Schloss La Sarraz zum ersten Präsidenten der Internationalen Kongresse für Neues Bauen / Congrès Internationaux d’Architecture Moderne (CIAM) gewählt. Mosers Rezeption moderner urbanistischer Konzepte belegt seine Studie für die Sanierung der Zürcher Altstadt (Niederdorfstudie, 1933), die an Le Corbusiers Ville radieuse anknüpft.

Mit seiner Baupraxis, aber auch im Umgang mit seinen Studierenden, mit denen er ein freundschaftlich-kollegiales Verhältnis pflegte, demonstrierte Karl Moser seine herausragende Fähigkeit, immer wieder neue Tendenzen zu erkennen und kreativ darauf zu reagieren. Diese Offenheit kennzeichnet sein gesamtes Lebenswerk und trug ihm bereits in den 1920er Jahren den Ruf als «Vater der modernen Architektur» in der Schweiz ein.

Sonja Hildebrand

Zitierweise: Sonja Hildebrand, Bestandsbeschrieb Karl Moser, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, Januar 2021, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/karl-moser
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Bestand



Integraler Nachlass im gta Archiv, ETH Zürich; Büronachlass Curjel & Moser im Generallandesarchiv Karlsruhe


Ausgewählte Literatur


  • Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, Das Zürcher Kunsthaus, ein Museumsbau von Karl Moser, Basel/Boston/Stuttgart 1982.
  • Stanislaus von Moos, Karl Moser und die moderne Architektur, in: Katharina Medici-Mall (Hg.), Fünf Punkte in der Architekturgeschichte. Festschrift für Adolf Max Vogt, Basel/Boston/Stuttgart 1985, S. 248–275.
  • Wilfried Rössling, Curjel & Moser. Architekten in Karlsruhe, Karlsruhe 1986.
  • Curjel & Moser. Städtebauliche Akzente um 1900 in Karlsruhe, Ausst.-Kat., Karlsruhe 1987.
  • Ernst Strebel, Curjel & Moser / Karl Moser, Bauten und Projekte in Zürich, Vierte Plakatausstellung in der Stadelhofer-Passage Zürich, Zürich 1988.
  • Ernst Strebel, Moser, Karl (Coelestin), in: Isabelle Rucki und Dorothee Huber (Hg.), Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin 1998, S. 384–386.
  • Werner Oechslin und Sonja Hildebrand (Hg.), Karl Moser. Architektur für eine neue Zeit 1880 bis 1936, 2 Bde., Zürich 2010 (Literatur, Selbstzeugnisse, Werkverzeichnis).
  • Stanislaus von Moos und Sonja Hildebrand (Hg.), Kunst Bau Zeit. Das Zürcher Universitätsgebäude von Karl Moser 1914–2014, Zürich 2014.
  • Sonja Hildebrand, Moser, Karl Cölestin, in: Allgemeines Künstlerlexikon (AKL), Bd. 91, München/Leipzig 2016, S. 46–48; AKL Online [2016].