Otto Heinrich Senn (1902–1993)

Geb. 19. November 1902 in Basel, gest. 4. Mai 1993 in Basel

Nach dem Architekturstudium an der ETH Zürich arbeitete Otto H. Senn 1928 in den Büros von Arnold Itten in Thun und Rudolf Steiger in Zürich. Eine ausgedehnte Studienreise führte ihn nach England, wo er die Gartenstädte Letchworth und Welwyn untersuchte, und in die USA, wo er im Büro von Knud Lönberg-Holm an der städtebaulichen Studie über Detroit mitarbeitete. 1933 eröffnete er in Basel ein eigenes Büro, das er zeitweilig mit seinem Bruder Walter Senn (1906–1983) betrieb. Senn war Mitglied der CIAM (Congrès Internationaux d’Architecture Moderne) sowie des Bundes Schweizer Architekten (BSA), des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) und des Schweizerischen Werkbunds (SWB).

Als überzeugter Anhänger des Neuen Bauens erarbeitete Senn sich für jedes Projekt rationale theoretische Grundlagen. Allen voran war ihm die funktionale Bestimmung eines Bauwerks die leitende Grösse für den Entwurf. Bei aller ökonomischer Disziplin zeigen schon die ersten Bauten einen ausgeprägten Sinn für die repräsentativen Werte der überlieferten bürgerlichen Wohnkultur. Das Wohnhaus für einen Bruder am Schnitterweg in Riehen (1934) und das Apartmenthaus «Parkhaus Zossen» in Basel (1934/35, mit Rudolf Mock) stehen mit ihrem Raumprogramm, dem Zuschnitt der Wohnräume und der Ausstattung mit ausgesuchten Materialien der Villa und dem «immeuble villa» näher als der «Wohnung für das Existenzminimum».

Die nach dem Zweiten Weltkrieg vermehrt geführten städtebaulichen Debatten bereicherte Senn mit vielbeachteten Projekten. So setzte er bei der Bebauung des Gellertfeldes in Basel dem Gemeinschaftsprojekt des BSA und dem Bebauungsplan von Hermann Baur ein eigenes Projekt mit sogenannten Raupenhäusern zwischen punktförmigen Hochhäusern rund um die Gemeinschaftseinrichtungen (Schule, Kirche, Spielplatz) entgegen (1950). Den Schweizer Beitrag zur Interbau im Berliner Hansa-Viertel leistete er 1957 mit einem fünfeckigen kleinen Mehrfamilienhaus, auf dem als Fragment einer städtebaulichen Hochhausanalyse sein punktförmiges Hochhaus am Hechtliacker in Basel aufbaut (1962–1965). Mit der von 1972 bis 1980 errichteten genossenschaftlichen Hochhaussiedlung Wittigkofen im Osten von Bern konnte Senn seine städtebaulichen und sozialen Anliegen im grossen Massstab (1240 Wohnungen) umsetzen.

Aus seinen öffentlichen Bauten ragen unter zahlreichen Wettbewerbsprojekten (Kulturzentrum mit Theater, Basel, 1952/53, 5. Preis; Gartenbad St. Jakob, Basel, 1953, 2. Preis) die Universitätsbibliothek (1962–1968) und das Gartenbad Bachgraben (1960–1962) heraus, beide in Basel. Die angemessene Raumform für eine bestimmte Gemeinschaft beschäftigte Otto H. Senn während mehrerer Jahrzehnte beim Thema des evangelisch-reformierten Kirchenbaus. Er entwickelte eine eigene Theorie mit dem Ziel, das liturgische Geschehen des Gottesdienstes ins räumliche Zentrum der Gemeinschaft der Gläubigen zu rücken. Es blieb dem Architekten zwar versagt, selbst eine Kirche zu bauen, doch sind seine Referate und Artikel eine gewichtige Stimme in der Diskussion um die Erneuerung des Kirchenbaus im Zeichen der Ökumene.

Dorothee Huber

Zitierweise: Dorothee Huber, Bestandsbeschrieb Otto Heinrich Senn, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, Juni 2021, http://www.archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/otto-heinrich-senn
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Bestand



1 1/2 Planschränke und 36 Tablarlaufmeter Planrollen, 36 Tablarlaufmeter Aktenschachteln und 20 Hängeregisterschubladen, darin:
  • Pläne, Akten und Fotos zu circa 140 Bauten und Projekten
  • Sammlungen zu Ausstellungen, Tagungen, Studienreisen und Publikationen
  • Thematische Sammlungen: Städtebau, Kirchenbau, Wohnbau, Schulbau, Theaterbau, Sportanlagen, Spitäler, Museen, Industriegebäude

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Ausgewählte Literatur


Eigene Schriften
  • Raum als Form, in: Werk 42 (1955), Nr. 12, S. 386–393.
  • Evangelischer Kirchenbau im ökumenischen Kontext. Identität und Variabilität – Tradition und Freiheit, Basel/Boston/Berlin 1983 (gta 26)

Sekundärliteratur
  • Architekturmuseum in Basel (Hg.), Otto Senn. Raum als Form, Basel 1990.
  • Dorothee Huber, Architekturführer Basel. Die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung, Basel 1993.
  • Ulrike Jehle-Schulte Strathaus, Senn, Otto Heinrich, in: Isabelle Rucki und Dorothee Huber (Hg.), Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin 1998, S. 505–506.